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V-Partei³ nimmt Einfluss auf Berichterstattung von Vegan-News – Bundesgeschäftsführer tritt zurück

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Im Rahmen der Veggie-World in München gründete sich am 30.04.2016 die V-Partei³, „Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer“. Die Seite Vegan-News berichtete in einem Artikel nüchtern und zugleich kritisch über das Programm der Partei sowie über esoterische Amtsinhaber*innen in der Parteispitze. Der Parteivorsitzende Roland Wegner beanstandete die Berichterstattung, worauf die Redaktion den Artikel veränderte. Wir haben Vegan-News gefragt, wie es dazu kam.

Wie Vegan-News (VN) auf seiner Website mitteilte, meldete sich bereits kurz nach Veröffentlichung des Artikels „V-Partei³ – Wer ist das und sind die wählbar?“ 1 der Bundesvorsitzende der V-Partei Roland Wegner in einer Facebook-Nachricht bei der Redaktion und bat um ein persönliches Telefonat. Zu diesem Telefonat erklärte Vegan-News gegenüber Indyvegan:

„In dem Telefonat konnte er plausibel und glaubwürdig die herausfordernden Umstände in denen sich die junge Partei befindet darlegen, auf welche unser Artikel negative Auswirkungen hat. Daher haben wir uns dazu entschlossen, den Artikel in Teilen anzupassen und nicht ausschließlich auf die Kommentarfunktion zu verweisen.“

Anmerkungen der Redaktion des Parteivorstands

So wurden unter der Bezeichnung „Anm. der Redaktion“ einige Kommentierungen in den Artikel eingearbeitet, die im Interesse Wegners und der V-Partei sind. Ein harmloses Beispiel ist der zugefügte Hinweis, dass die Partei bereits 200 Mitglieder habe. An zwei weiteren Stellen, die sich mit den politischen Zielen der Partei befassen, fügte Vegan-News Anmerkungen ein, die auf das „umfangreiche Parteiprogramm“ verlinken:

Anmerkungen Vegan News

Insgesamt gibt es drei eingearbeitete Verlinkungen auf das Parteiprogramm der V-Partei. Da Wegner die Kritik am esoterischen, pseudowissenschaftlichen Personal der Partei mutmaßlich weniger stark im Vordergrund sehen wollte, konnte er die VN-Redaktion augenscheinlich überzeugen, folgende Hervorhebung mit Verlinkung einzufügen:

Hervorhebung Vegan News

Die rhetorische Frage des Autors „Also, sind das denn Nazis?“ lädt dazu ein, sie als Vorwurf zu verstehen. Das ist richtig. Und auch, wenn es viele gute Gründe gibt, im Rahmen der Neugründung einer veganen Partei nach dem Umgang mit rechten Ideologien zu fragen, so wäre eine sprachlich differenzierte Fragestellung zielführender gewesen. Jedoch liegt auch die überspitzte Formulierung einer rhetorischen Frage im Ermessen von Autor*innen und nicht im Ermessen der Parteien über die sie schreiben. Auch hier wird eine Anmerkung eingefügt:

„(Anm. der Redaktion: Dies mögen sich einige Leser_Innen evtl. besorgt fragen, jedoch ist herauszustellen, dass die V-Partei³ sich bisher nie in einer Weise geäußert hat, die diese Sorge nahelegen würde.)“

Die bereits in der Erstveröffentlichung enthaltene Stellungnahme Wegners, in welcher er die Partei ausdrücklich von „menschenverachtendem Gedankengut“ distanziert, war dem Parteivorsitzenden offenbarnoch nicht deutlich genug.

Zu dieser unüblichen journalistischen Praxis sagte Vegan News gegenüber Indyvegan:

„Neben unserem journalistisch/aufklärerischem Auftrag sehen wir bei Vegan News auch die Aufgabe das Thema „vegan“ gesellschaftlich voranzutreiben. Die V-Partei³ kann hierbei – ohne Zusammenhang zu Vegan News – zukünftig eine Rolle spielen. Nach Abwägung unserer Interessen und Faktenlage haben wir uns dazu entschlossen, den Artikel auf eine Art und Weise zu ändern, die es der V-Partei³ eher ermöglicht aktuelle, interne Probleme zu bewältigen. Uns ist es wichtig die V-Partei³ im Auge zu behalten und deren Entwicklung engmaschig in dem Artikel (quasi als work in progress) zu dokumentieren.“(sic!)

Ein Rücktritt ohne Öffentlichkeit

Darüber hinaus gab es auch mindestens eine Löschung. So wurde die Nennung Florian Harzmanns, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels noch Bundesgeschäftsführer der Partei war, aus dem Artikel entfernt. In der Ursprünglichen Version des Artikels heißt es:

„…der Geschäftsführer bietet „Reinkarnationstherapie“ an (http://florian-harzmann.de/)…“

Zu dieser Löschung teilte uns Vegan-News auf Anfrage mit:

„Soweit uns bekannt, ist Herr Harzmann auch aufgrund unseres Artikels zurückgetreten. Auf einer inhaltlichen Ebene begrüßen wir dies, da er aufgrund seiner beruflichen Ausrichtung kaum ein ernstzunehmendes Aushängeschild einer Partei sein kann. Um der V-Partei³ einen unbelasteteren Start zu ermöglichen und vor dem Hintergrund, dass Herr Harzmann wohl ohnehin nur aus pragmatischen Erwägungen des geografischen Standortes der Parteigründung übergangsweise auf diesem Posten stand, empfinden wir das Auslassen der Info im Artikel als journalistisch legitim in Bezug auf die Chance dessen, wohin sich die V-Partei³ hoffentlich positiv entwickeln wird.“

Warum Harzmann erst jetzt zurücktrat, obwohl seine Tätigkeit als Astrologe und Reinkarnationstherapeut2 offenkundig ist und bereits von RP-Online angemerkt wurde, bleibt unklar. Ein kurzer Blick auf Harzmanns Facebook-Profil offenbart Impfkritik, Verschwörungsthesen des Rechtsesoterikers Rüdiger Dahlke, ein Interview zur antisemitisch fundierten, pseudowissenschaftlichen „Germanischen Neuen Medizin“ sowie Holocaust-Analogien.3 Wie eine solche Person in den Vorstand einer Partei gelangen konnte, die glaubwürdige politische Arbeit leisten will, bleibt fraglich. Aber es wird nicht die einzige Person aus der Parteispitze bleiben, bei der sich diese Frage stellen wird.

Abschließend äußerte Vegan-News gegenüber Indyvegan:

„Der Umgang mit öffentlicher Kritik durch die V-Partei³ zeigt, dass wir es hier mit einer Partei zu tun haben, die nicht einmal im Ansatz politische Erfahrungen mitbringt. Jedoch lesen wir teils gute Ansätze im Parteiprogramm und auch das Telefonat mit Herrn Wegner vermittelte den Eindruck eines rational denkenden Pragmatikers mit guten Absichten, der personell einfach mit dem arbeitet, was die aktuelle Lage zulässt. Daher haben wir uns entschlossen für den Moment journalistisch weniger Druck auf die Partei auszuüben, um den Politik-Anfänger_Innen die Möglichkeit zu geben, sich in den nächsten Monaten besser aufzustellen und die Fehler des Anfangs zu bereinigen. Sollte dies nicht konsequent erfolgen, haben wir als Presse immer noch die Möglichkeit hier mit mehr Druck und Schonungslosigkeit in die Öffentlichkeit hinein zu kommunizieren. Für den Moment überwiegt aber unser Interesse an der Entstehung einer ernstzunehmenden Partei mit dem Kernthema „vegan“ unsere journalistischen Ansinnen. Daher betrachten wir unser kürzlichen Entscheidungen in keiner Weise als „journalistische Fehlentscheidungen“. Grundsätzlich möchten wir hinzufügen, dass wir unsere journalistischen Entscheidungen immer autark treffen und uns keinem, wie auch immer gearteten, Einfluss beugen (werden). Wir scheuen weder rechtliche noch sonstige Arten der Auseinandersetzung und sind in jedem Bereich zur Bewältigung solcher Herausforderungen optimal aufgestellt.“

Eine Androhung rechtlicher Schritte durch die V-Partei gab es laut Auskunft von Vegan-News nicht. Der Autor des Textes äußerte Bedauern über die eingearbeiteten Anmerkungen innerhalb des Textes. Demnach fühlte er sich von Vegan-News zwar nicht eingeschränkt, die Reaktion der Partei sei jedoch „leicht über das Ziel hinaus geschossen“.

Der Verschwörungsglauben des Parteivorsitzenden

Am Ende des Artikels gibt Vegan-News der V-Partei die Möglichkeit, ihr Personal ins rechte Licht zu rücken. In diesem Abschnitt verharmloste der Parteivorsitzende Wegner die pseudowissenschaftliche Proklamation des stellvertretenden Bundesvorsitzenden David Ekwe-Ebobisse, wonach Rohkost „alle Krankheiten“ heile4, zu einer „provokante[n] These“. Den gesundheitspolitischen Sprecher Dr. Arno de Pay verteidigt Wegner ebenso und bezeichnet die von de Pay vertretene „Quantenmedizin“ als einem „Wissenschaftszweig“. In seiner Erklärung unterstellt Wegner nicht näher benannten Mächten, wissenschaftliche Erkenntnisse bewusst zurückzuhalten und zeigt damit, dass Verschwörungsglauben auch in der Parteispitze einen Platz hat:

Roland Wegner Pharma Verschwörung

Fazit

Der Vorstand der V-Partei offenbart mit dieser Einflussnahme auf die Berichterstattung von Vegan-News ein erschreckend instrumentelles Verhältnis zur Informations- und Pressefreiheit. Ob dies eine politische Grundhaltung des Parteivorstands oder ein Ausdruck mangelnder Erfahrung im politischen Geschäft ist, wird die Zukunft zeigen. Das Vorgehen von Vegan-News ist dabei nicht nur journalistisch kritikwürdig, sondern zugleich gefährlich. Allein der parteiliche Fokus auf das Thema „vegan“ war für die VN-Redaktion Rechtfertigung genug für einen Eingriff, der aus einem differenzierten, nüchternen Artikel, wohlwollende, redaktionelle Parteiwerbung gemacht hat. Der Rücktritt des Bundesgeschäftsführers Florian Harzmann wird von der V-Partei aber auch von Vegan-News mit viel Wohlwollen nachträglich unter den Teppich gekehrt.

Parteipolitische Fehler sind, zumal in der Gründungsphase einer Partei, keine Schande. Eine Schande ist es, damit nicht transparent umzugehen und Informationen über die gezielte Einflussnahme auf journalistische Arbeit zu verwischen. Wir haben uns nach diesen Vorfällen eingehender mit dem Personal der Parteispitze wie auch mit der PR der V-Partei beschäftigt. In einem folgenden Artikel werden wir ausführlich darüber berichten.

Die V-Partei ließ unsere Presseanfrage zu diesem Vorfall unbeantwortet. Auch unsere Frage, ob uns die V-Partei zu der folgenden Berichterstattung für eine Stellungnahme zur Verfügung steht, blieb unbeantwortet. Damit verzichtet die V-Partei auf die Gelegenheit, im Vorfeld über unsere Recherchen informiert zu werden und entsprechend reagieren zu können. Ob die betreffenden Personen dann ebenfalls ohne Stellungnahme von der Parteiwebsite verschwinden und ob die Partei auch dann keine Presseauskünfte zu Rücktritten aus Parteiämtern gibt, wird sich zeigen. Vielleicht reißt Roland Wegner das Ruder noch herum.

Der Beitrag V-Partei³ nimmt Einfluss auf Berichterstattung von Vegan-News – Bundesgeschäftsführer tritt zurück erschien zuerst auf Indyvegan.


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