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Gewaltübergriffe durch Security bei Attila Hildmanns Buch-Release-Party

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Eine Gruppe von veganen Aktivist*innen protestierte am vergangenen Donnerstag vor der Buch-Release-Party Attila Hildmanns in Hannover mit einem Rap-Song „gegen die Entpolitisierung und Kommerzialisierung der veganen Lebensweise durch den Berliner Koch-Star und Entertainer“. Dabei kam es zu gewaltsamen Übergriffen der Securities gegen die Demonstrant*innen. Die Bild-Zeitung verkaufte die satirischen Äußerungen eines der Aktivist*innen als Tatsachen und titelte „Fleisch-Fans attackieren Attila Hildmann“. FOCUS, Gala, welt.de und web.de verbreiteten die Meldung ungeprüft weiter. Die Aktivist*innen veröffentlichten nun ein Video des Vorfalls, das den Übergriff zeigt. Was ist wirklich passiert?

Am 1. Dezember fand in der Cavallo-Reithalle in Hannover die Buch-Release-Party des veganen Kochbuchautors und Millionärs Attila Hildmann statt. Dort präsentierte er sein neustes Werk: „Vegan for Fit – Gipfelstürmer – Die 7-Tage-Detox-Diät“.

Attila Hildmann Vegan for Fit Gipfelstürmer Hannover Fleisch-Fans

In der Reithalle tat Hildmann das, was er üblicherweise zu tun pflegt. Er verkaufte Bücher, beschwor den Körperkult, bewarb Superfoods, reichte Matcha-Shakes und schwadronierte über Pharmakonzerne, die lieber Pillen verkauften als gesunde Ernährung.

Was war passiert?

Vor der Halle fand sich derweil eine Gruppe veganer Aktivist*innen für einen musikalischen Protest ein. In einer Presseerklärung vom 30. November 2016 erklärte die Rap-Gruppe „King Veganismus One und Dr. Alsan“ unter dem Titel „Vegane Musikgruppe plant Satire-Aktion“ die Motive für ihre Aktion. Darin heißt es:

„Mit einer Satire-Aktion will sich das Kommando HITTILA ALDMANN am morgigen Donnerstag gegen die Entpolitisierung und Kommerzialisierung der veganen Lebensweise durch den Berliner Koch-Star und Entertainer Attila Hildmann richten. „

Über Hildmann heißt es in der Erklärung:

„Er sei einer der Protagonisten einer Vegan-Ideologie, in der die Tiere kaum noch auftauchen und verkörpere daher alles, was die Initiative politisch engagierter Veganer kritisiere.“

In dem heute veröffentlichten Video des Vorfalls ist zu erkennen, dass die Frau des Veranstalters die Aktivist*innen filmte und einer friedlich demonstrierenden Aktivistin ohne Anlass ins Gesicht griff. Ein Aktivist, der sich von der Person nicht filmen lassen wollte, hielt seine Hand vor ihre Kamera und wurde daraufhin von einem Security beiseite gezerrt und ins Gesicht geschlagen.

In einer zweiten Presseerklärung von heute schreiben die Aktivist*innen:

„Die Situation ist zunächst ruhig. Abreisende Gäste schauen amüsiert zu. Nur die Frau des Veranstalters kommt nicht umhin, sich in ihrer Aversion mit Ironie zu bewaffnen: „Ja, ihr seid ja süß. Und richtig viele seid ihr ja auch, ohh!“ Offenbar war ihr wichtig zu betonen, dass sich auf der Abendveranstaltung mit dem Starkoch weit mehr Menschen eingefunden hatten, nämlich ca. 100.

Als die Musiker den mitgebrachten Song wiederholen, fängt sie an, die Angereisten mit ihrem filmenden Handy zu bedrängen. Sie greift einer Frau ins Gesicht, reißt ihr dabei den Ohrring heraus. Ein Freund der Musiker stellt sich zwischen die beiden und filmt, was sie tut. Die Frau des Veranstalters geht immer weiter, der Mann weicht immer weiter zurück. Dann drängen plötzlich zwei Security-Männer der Veranstaltung nach vorne und prügeln auf die angereisten Leute ein. Eine Frau wird vom ersten Türsteher zu Boden gerissen. Der zweite schlägt ihren Freund und reißt ihn um. Eine weitere Frau versucht, ihm zu helfen, kassiert einen Fausthieb ins Gesicht und geht ebenfalls zu Boden.“

Der beteiligte Aktivist Tobias W. erklärte dazu:

„Die haben innerhalb von wenigen Sekunden – und völlig ohne zu kommunizieren – meine Freundinnen und einen Kumpel umgehauen. […] Als ich sah, dass die Situation eskaliert, bin ich vom Auto gesprungen und auf den einen Typen zugegangen. Der hat ohne zu zögern zugeschlagen, direkt auf meinen Kehlkopf.“

Weiter heißt es in der Presseerklärung:

„Doch selbst im Anschluss an die Eskalation ist einer der Schläger nicht zu beruhigen. Er schwadroniert über „Veganer-Spastis“ und schlägt auf den Filmenden ein. „

King Veganismus One und Dr. Alsan

Wir merken an dieser Stelle an, dass es in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen über die Texte der Rap-Gruppe „King Veganismus One und Dr. Alsan“ gab. Die sexistische und misogyne Sprache in den Texten der Band rechtfertigen die Rapper mit dem Verweis auf die Kunstfreiheit und auf einen satirischen Ansatz. Insbesondere feministischer Kritik stand die Gruppe bisher deutlich ablehnend und amüsiert gegenüber.

Wir sehen diese Texte kritisch und sehen Satire und Kunstfreiheit nicht als Rechtfertigung für die Reproduktion von Sexismus. Satirische Dekonstruktion von Sexismus sieht für uns anders aus. Hier muss sich die Gruppe die Frage gefallen lassen, inwieweit sie das bei Hildmann kritisierte antiemanzipatorische Wirken selbst in Form von Sexismus bedient.

King Veganismus One und Dr Alsan

„Wurst-Wüteriche“

Bild.de bezeichnete die Aktivist*innen als „Wurst-Wüteriche“, titelte „Fleisch-Fans attackieren Attila Hildmann“ und zitiert einen Aktivisten mit den Worten:

„Wir sind Vegan-Gegner. Aber von uns ging keine Gewalt aus. Wir wurden von Sicherheitsleuten angegriffen.“

FOCUS, Gala, welt.de und web.de verbreiteten die Meldung und das Zitat ebenfalls und beriefen sich auf den Artikel von bild.de. Die Gala berichtete über „Randale“ sowie „militante Fleischesser“. Der FOCUS titelte den Clickbait: „Anzeigen wegen Körperverletzung: Vegan-Koch von vermummten Fleisch-Fans attackiert“. Dass Hildmann lediglich beschimpf worden sein soll, erfährt man erst im Artikel. Über die Gewaltübergriffe durch die Securities berichtet auch der FOCUS nicht.

Gegenüber Indyvegan erklärte einer der zitierten Aktivisten, er sei genervt gewesen von dem Redakteur der BILD und habe ihn mit erkennbar satirischen Äußerungen „zugetextet“, weil er nicht mit der BILD reden wollte. Laut Aussage des Aktivisten Tobias W. lag Bild die hier zitierte Pressemitteilung bereits am Mittwoch vor. Wenn das zutreffend ist, so hat bild.de an dieser Stelle wissentlich falsch berichtet.

Der Veranstalter Steindesign

Die für den Einsatz der Securities verantwortliche Agentur „Steindesign – agentur für kreative business-lösungen“ erklärte Indyvegan gegenüber schriftlich:

„Der „Protest“ war – dafür gibt es dutzende Zeugen – von Seiten der „Demonstranten“ gewaltsam. Diese waren vermummt, befanden sich auf unserem Privatgrundstück, begingen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. Entsprechende Anzeigen gegen die Personen liegen bei der Polizei, die übrigens wir selbst alarmiert haben, vor.“

Welche Sachbeschädigungen stattgefunden haben sollen und in welcher Weise die Aktivist*innen Gäste der Veranstaltung oder Securities angegriffen oder verletzt haben sollen, bleibt fraglich.

Entschärfen nach Hildmanns Art

Der „vegane“ Millionär Hildmann erklärte laut bild.de, er habe versucht, die „Situation zu entschärfen“. In dem Video des Vorfalls ist Hildmann mit den Worten zu hören:

„Wir haben jetzt ein Hausrecht, wir haben ’ne richtig schöne Party und ihr macht jetzt nen Abflug, weil ihr stresst.“

Auch sagte Hildmann laut bild.de, er sei „entsetzt von diesem Vorfall“. Sein Entsetzen galt jedoch offensichtlich nicht den Gewaltübergriffen der Securities auf die Protestierenden, sondern dem Protest selbst. Unsere Schriftliche Anfrage zu dem Vorfall ließ Hildmann unbeantwortet. Gegenüber der FAZ erklärte Hildmann:

„Ich weiß gar nicht, ob es militante Metzger waren oder sehr linke Veganer, ich gerate mit beiden Gruppen aneinander.“

Update

Nun berichtet auch die Mopo über den Vorfall. Auch hier beruft man sich unkritisch auf die Zitate der BILD. Jedoch wird nun erstmals auch das Video verlinkt und das Vorgehen der Securities infrage gestellt.

Der Beitrag Gewaltübergriffe durch Security bei Attila Hildmanns Buch-Release-Party erschien zuerst auf Indyvegan.


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