Aufgrund von Antisemitismus-Vorwürfen kam es in der Schweizer Tierrechtsszene wiederholt zu Diskussionen sowie zu einem Ausschluss des Vereins VgT (Verein gegen Tierfabriken Schweiz)1 von der Demonstration „Für die Schließung aller Schlachthäuser!“ sowie von allen weiteren Veranstaltungen des Vereins Tier im Fokus (TIF). Bereits im April schlossen die Arbeitsgemeinschaft Schweizer Tierversuchs-Gegner, die Ligue Suisse Contre la Vivisection sowie der Verein zur Abschaffung der Tierversuche den VgT aus den gleichen Gründen von der „Demo für die Abschaffung der Tierversuche“ aus.
Im Mittelpunkt der Kritik stehen eine Reihe antisemitischer und menschenverachtender Äußerungen des VgT-Präsidenten Erwin Kessler in der Vereinszeitschrift „VgT-Nachrichten“ sowie auf der Website des Vereins. In seiner Stellungnahme dokumentiert der Verein „Tier im Fokus“ (TIF) einen Teil dieser Äußerungen und begründet damit die Beendigung jeglicher Zusammenarbeit mit dem VgT sowie den Ausschluss von allen weiteren Aktionen von TIF. Der VgT sprach in Reaktion darauf von einer „linksextremen Verleumdungskampagne“. Wir haben uns die dokumentierten Aussagen einmal genauer angesehen und weiter recherchiert.
„Perfide jüdische Verleumdung“ und Neonazistische Kontakte
Erwin Kessler, der in den 1970er Jahren Mitglied der „Nationalen Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat“ war2, sieht in dem Wikipedia-Eintrag zu seiner Person „klare Verleumdungen […] einer hochgradig manipulierten Website“3. Er wiederholt in diesem Zusammenhang mehrfach die Ankündigung, rechtliche Schritte gegen diesen Eintrag sowie gegen all jene einzuleiten, die diesen verbreiten. Eine Überprüfung der Quellen des überschaubaren Eintrags ergibt, dass alle dort aufgestellten Behauptungen belegt sind. Zudem fällt auf, dass die Rubrik „Juristische Auseinandersetzungen“ die umfangreichste ist.
In dieser Rubrik finden wir einen Verweis auf einen Rechtsstreit vor dem Schweizer Bundesgericht, in dem sich Erwin Kessler gegen die Behauptung der Tageszeitung Der Bund wehrte, er unterhalte „Kontakte zur Neonazi- und Revisionistenszene“. Kessler verlor diesen Prozess. Das Gericht sah diese Behauptung als zutreffend an, da Kessler unter anderem den mehrfach verurteilten Holocaustleugnern Jürgen Graf und Ernst Indlekofer auf der VgT-Website eine Plattform gab.4 Die Entscheidung des Gerichts kommentierte Kessler unter der Überschrift:5
Ein Blick auf die mittlerweile gelöschte Seite auf der VgT-Website offenbart Erstaunliches. Kessler kommentierte dort Gerichtsprozesse gegen die genannten, mehrfach verurteilten Holocaustleugner Graf und Indlekofer und verteidigte diese. Die neonazistische Schweizer Zeitschrift „Recht + Freiheit“ (Hrsg. Ernst Indlekofer) bezeichnete er ebenso wie das neonazistische Buch „Vom Untergang der Schweizerischen Freiheit“ (Autor: Jürgen Graf) als „interessant“ und empfahl, insbesondere letzteres zu lesen.
Es handelt sich bei dem Buch um eine Kampfschrift gegen die Schweizer „Rassismus-Strafnorm“, welche mit dem §130 („Volksverhetzung“) im deutschen Strafgesetzbuch vergleichbar ist. Kessler bezeichnet die Rassismus-Strafnorm, wie in der Schweizer rechten Szene üblich, als „Maulkorbgesetz“.6 Die gleiche Bezeichnung wählen rechte Ideologinnen für den entsprechenden Paragraphen (§130 StGB) in Deutschland. „Maulkorb“, da dieses Gesetz Neonazis und Geschichtsrevisionistinnen verbietet, Hetze gegen Menschengruppen zu betreiben sowie den Holocaust zu relativieren oder zu leugnen. Also einen Großteil dessen, was für rechte Ideologien so elementar ist wie die Luft zum Atmen.
Im Weiteren kommentierte der VgT-Präsident unter der Überschrift „Politische Willkürjustiz in der Schweiz wie damals unter Hitler“ seine folgende Strafanzeige, die abgelehnt wurde:
„Der babylonische Talmud sei in allen schweizerischen Bibliotheken und Buchhandlungen zu beschlagnahmen und die Verantwortlichen seien angemessen zu bestrafen, mindestens mit 45 Tagen Gefängnis.“(sic!)7
Kessler begründete seine Strafanzeige damit, dass es sich um ein „hochgradig rassistisches Buch“ handle und erklärte dazu:
„Darin sind die folgenden rassistischen Äusserungen gegenüber nichtjüdischen Volksgruppen bzw Völker und Religionen zu finden, welche an Arroganz und Brutalität sogar die Nazi-Propaganda gegen Nicht-Arier in den Schatten stellt“(sic!)8
Zum Beleg für diese Aussage nutzte Kessler Talmud-Zitate die er, wie er selbst sagt, dem Buch „Der Babylonische Talmud“ des deutschen Neonazis und Holocaustleugners Erich Glagau entnommen hatte.9
Mit Antisemitismus gegen das Schächten
Erwin Kessler wurde im Jahr 2007 aufgrund folgender antisemitischer Äußerungen wegen mehrfacher, in der Schweiz sogenannter „Rassendiskriminierung“10 rechtskräftig verurteilt:
„Wenn Juden massenhaft Tiere durch Schächten umbringen, dann sind sie nicht besser als ihre früheren Nazi-Henker, dann zeigen sie den gleichen Überlegenheitswahn gegenüber anderen Lebewesen und fühlen sich in gleich verwerflicher Weise berechtigt, diese brutal umzubringen“(sic!)
„Ein Massenverbrechen bleibt ein Verbrechen, auch wenn es mit Ideologien gerechtfertigt wird. Die Nazis hatten ihre Ideologie, den Arier-Wahn. Orthodoxe Juden und Moslems haben eine andere, ebenfalls bestialische Ideologie. Rechtfertigt diese den Schächt-Holocaust?“(sic!)
„Wer sich derart für primitivste Tierquälerei … einsetzt, der verdient nach meiner Überzeugung tatsächlich nichts anderes als tiefe Verachtung. Ob diese Verachtung dann als Antisemitismus verschrien wird, interessiert mich mittlerweile nicht mehr. Wenn der Begriff ‚Antisemitismus‘ heute nur noch bedeutet, ein grausames, pervers religiöses, jüdisches Ritual abzulehnen, dann ist Antisemitismus nichts Negatives mehr, sondern eine gesunde Haltung der überwiegenden Mehrheit der nicht jüdischen Bevölkerung“(sic!)11
In der VgT-Vereinszeitschrift vom September 1996 veröffentlichte Kessler einen Textauszug des antisemitschen Schriftstellers Manfred Kyber. In diesem Text werden Menschen jüdischen Glaubens als „fremde Rasse“ bezeichnet und mit Kannibalen gleichgesetzt. Auch wird in diesem Text jüdischen Menschen die Verantwortung für den wachsenden Antisemitismus zugeschrieben. Zugleich rechtfertigt Kyber den „Rassenhass“ gegen Menschen jüdischen Glaubens als Konsequenz des Schächtens.12 Ebenfalls im Jahr 1996 unterstellt Kessler dem Tierschutzanwalt Antoine Goetschel in der VgT-Vereinszeitung, dieser habe „als verdeckter Jude jahrelang das Schächten“ verharmlost.13
Antisemitische Verschwörungsmythen in VgT-Medien
Erwin Kessler schreibt jüdischen Menschen jedoch weit mehr zu als ein „religiöses Ritual“. Dass der Kampf gegen das Schächten für ihn lediglich ein Vehikel für seinen Antisemitismus ist und dass man Erwin Kessler mit Gewissheit als Antisemiten bezeichnen darf, machte dieser bereits im Jahr 1996 in einem Text, in der Vereinszeitschrift deutlich:
„Die Ironie des Schicksals will es, dass ich nun ausgerechnet von gewissen jüdischen Kreisen, die große Teile der Medien kontrollieren und auch sonst unsichtbare Macht ausüben, »gekreuzigt« werde, weil ich ihnen – wie damals Jesus – ihre moralischen Verirrungen vorhalte.“14
Im Gleichen Jahr schreibt er in der Neonazi-Zeitschrift „Recht+Freiheit“:
„Noch heute haben links-jüdische Journalisten nichts anderes im Sinn, als sich für diese Schlappe bei mir zu rächen.“15
2002 schreibt Kessler in der Vereinszeitschrift:
Mit der Zuschreibung einer angeblich jüdischen Kontrolle über die Medien sowie der Behauptung, Menschen jüdischen Glaubens würden „unsichtbare Macht ausüben“ spielt Kessler das verschwörungsideologische Lied von der jüdischen Weltverschwörung. Antisemitische Verschwörungsmythen, wie die von Kessler vorgetragenen, existieren bereits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts.16 Im Nationalsozialismus waren diese Verschwörungsmythen zentrale Instrumente anitjüdischer Propaganda, mit denen die Nazis die Pogrome gegen jüdische Menschen und den Holocaust rechtfertigten. Auch das Thema „Schächten“ war im Nationalsozialismus fester Bestandteil antisemitischer Propaganda.17 Die Rhetorik in rechtsradikalen Tierschutz-Kreisen blieb bis heute die Gleiche, wie das Beispiel Erwin Kessler zeigt. Der Vortrag von Birgit Pack unter dem Titel „Tierschutz-/Tierrechtsarbeit und Antisemitismus“ vom Tierrechtskongress in Wien 2004 gibt einen guten Überblick über die Problematik.
Im Juli 2001 kündigte Erwin Kessler „Neue Enthüllungen jüdischer Medienmanipulationen“ an und zeigte dabei abermals seinen antisemitischen Glauben an die jüdische Weltverschwörung.18 Unter dem Titel „Der VgT deckt erstmals auf: Goethe-Gesamtausgabe ist jüdisch zensiert!“ schreibt Erwin Kessler:
„Objektiv überprüfen lässt sich das allerdings kaum, den der jüdische Einfluss in Wirtschaft und Politik spielt meistens verdeckt und wird auch auf Anfrage hin nicht offengelegt.“(sic!)19
Über den jüdischen Autor Pascal Krauthammer, der Kesslers Aktivitäten in seiner Dissertation mit dem Titel „Das Schächtverbot in der Schweiz 1854 – 2000 : die Schächtfrage zwischen Tierschutz, Politik und Fremdenfeindlichkeit“ kritisch beleuchtete, schrieb Kessler unter der Überschrift „Verlogene jüdische Doktorarbeit“:
„Er arbeitet seit Abschluss seiner „juristischen“ Doktorarbeit nicht als Jurist sondern als Redaktor bei Radio DRS. Diese Stellung verschafft ihm wohl – wie diese verleumderische „Doktorarbeit“ – die Möglichkeit, die öffentliche Meinung weiter nach jüdischem Geschmack zu manipulieren.“(sic!)20
Den darauffolgenden Rechtsstreit mit Pascal Krauthammer kommentiert Erwin Kessler im Dezember 2005 mit den Worten:
„Juden erhalten immer Recht. Mit dem Zauberwort „Antisemit!“ verschaffen sich gewisse jüdische Kreise Sonderrechte, der in der Schweiz zu einem vorher nicht existierenden, aber dennoch immer lautstark beklagten verbreiteten Antisemitismus geführt hat. Antisemtismus kann nicht dadurch bekämpft werden, dass sich Regierung, Gerichte und Universitäten von jüdischen Kreisen erpressen und manipulieren lassen und Tierschützer ins Gefängnis geworfen werden“(sic!)21
Demnach gab es laut Erwin Kessler vor 2005 keinen Antisemitismus in der Schweiz 22 und Schuld am Antisemitismus seien, laut Kessler, die jüdischen Gläubigen selbst. Beides sind bekannte rhetorische Muster antijüdischer Agitation, die bereits von den Nationalsozialisten verwendet wurden und deren historische Wurzeln noch weiter zurückreichen.23 Im gleichen Beitrag wiederholt Kessler mit ähnlicher Wortwahl:
„Krauthammer ist heute Journalist bei Radio DRS – ein idealer Job, um die Öffentlichkeit weiter mit jüdischer Propaganda zu manipulieren.“24
Die Tatsache, dass der Buchhändler Robert Krauthammer das Buch seines Bruders Pascal Krauthammmer im Schaufenster seines Geschäfts exponiert, ist Erwin Kessler eine eigene Meldung auf der VgT-Website wert, die folgendermaßen überschreibt:
„Die Macht der Juden in der Schweiz: Der Krauthammer-Clan“25
Im gleichen Jahr liest man auf der Vereinswebsite des VgT zu der Entlassung des Schweizer Botschafters Thomas Borer infolge einer „Sex-Affäre“ in einem Kommentar von Erwin Kessler:
„Als Taskforce-Chef war Borer einer der wenigen in diesem Land, die den Mut hatten, gegen die amerikanisch- jüdische Erpressung der Schweiz aufzutreten. Die gleiche Feigheit des herrschenden Regimes vor jüdischem Druck hat auch zu meiner Verurteilung zu Gefängnis geführt, obwohl ich nichts Rechtswidriges getan, sondern nur jüdische Tierquälerei kritisiert habe.“(sic!)26
Im Dezember 2006 entzog sich Erwin Kessler einer Haftstrafe, indem er sich nach Ungarn absetzte. Exakt zum Zeitpunkt der Verjährung dieser Strafe tauchte er wieder in der Schweiz auf. Dies kommentierte er auf der VgT-Website folgendermaßen:
„Es gibt deshalb auch in Europa Orte, wo man vor der neuen, jüdisch gesteuerten Inquisition geschützt ist […]“27
Kessler beteuerte in der Vergangenheit wiederholt, dass er mit seinen Angriffen nicht Juden allgemein, sondern lediglich die von ihm als „Schächtjuden“ bezeichnete Minderheit meine. In den VgT-Nachrichten vom Juli 2008 schreibt Kessler:28
Wie glaubhaft diese Entschuldigung ist, zeigte Kessler dann unter anderem im August 2012 auf der Vereins-Website des VgT:
„Ausführliche Dokumentation über das Schächten ist und wie die jüdisch gesteuerte Desinformation der Öffentlichkeit zu diesem Thema abläuft:[…]“(sic!)
„Die orthodoxen Juden halten mit einer sturen Hartnäckigkeit am betäubungslosen Schächten fest und werden von einflussreichen (jüdischen) Kreisen aus Politik und Wirtschaft diesbezüglich unterstützt. Das geht sogar soweit, dass Tierschützer, die sich gegen das Schächten aussprechen, als Antisemiten abgetan und mit dem heutigen Antirassimus-Maulkorbgesetz verurteilt werden![…]“(sic!)
„Aber der jüdische Einfluss auf die Politik ist gross.“(sic!)29
Die in diesem Artikel dokumentierten Aussagen Kesslers zeigen, dass er seine antisemitischen Äußerungen wiederholt sehr deutlich auf jüdische Menschen im Allgemeinen bezieht. Gleichwohl sind auch jene Aussagen Kesslers von antisemitischer Rhetorik bestimmt, in denen er vermeintlich nur Menschen adressiert, die er als „Schächt-Juden“ bezeichnet. Die Verurteilungen Kesslers nach der Schweizer Rassismus-Strafnorm stützen diese Einschätzung.
NS-Vergleiche, menschenverachtende Freude und Fremdenfeindlichkeit
Kessler vergleicht gern und viel. Im Zweifel immer mit den Nazis oder dem Holocaust. Im Dezember 2014 sprach er in Zusammenhang mit seiner Festnahme durch die Schweizer Polizei von einer „Gestapo-Aktion“.30 Neben für ihn gängigen Formulierungen wie „Tier-KZ“ und „Holocaust an den Nutztieren“ setzt er wie oben gezeigt immer wieder jüdische Gläubige mit den Nazis gleich. Dies begründet er, auf das Schächten bezogen, mit einem in seinen Augen „gleichen Überlegenheitswahn gegenüber anderen Lebewesen“.31
Auf der Vereinswebsite bringt Erwin Kessler wiederholt seine Freude über den Tod von Menschen zum Ausdruck. Er amüsiert sich über ertrunkene Fischer, sich gegenseitig erschießende Fischer und bei einem Autounfall umgekommene Fischer.32 Eine Pressemeldung über eine Frau, die eine schwere Schussverletzung im Gesicht überlebte, kommentiert Kessler mit den Worten:
„Wenn der Typ besser getroffen hätte, würden die Nutztiere nun unter einer Fleischfresserin weniger leiden.“33
Auf der gleichen Seite sagt Kessler über den Rassisten und Eugeniker Thilo Sarrazin, dieser gelte als:
„heimlicher Volksheld[…], der in Klartext ausspricht, was das Volk bewegt, aber vom Establishment unterdrückt wird: die massenhafte muslimische Immigration.“(sic!)34
Im Jahr 2000 warnt der VgT in Zusammenhang mit dem Zustandekommen eines bilateralen Abkommens mit der EU unter anderem vor diesen Folgen für das „Volk“:
„Ungehemmte Einwanderung wird alles verändern und umschichten.[…] Schweizer und Zuwanderer haben gleiche Rechte; automatischer Familiennachzug, „Recht auf Arbeit“[…] Ausbeutung unserer Sozialwerke und Krankenkassen durch Ausländer.“35
Die Stellungnahme des VgT
Die aktuelle Stellungnahme des Vereins mit der Überschrift „Linksextreme Verleumdungskampagnen gegen den VgT“ besteht zu großen Teilen aus der Beschreibung von Vorgängen aus der Auseinandersetzung des VgT mit Schweizer Tierrechtsorganisationen und -gruppen. Der VgT erhebt in diesem Zusammenhang vor allem Vorwürfe gegenüber der Tierrechtsgruppe Zürich, deren Vertreter*innen nach den Schilderungen des VgT „total unanständig“, „aggressiv“ und „niveaulos“ aufgetreten seien. Die zentrale Kritik an den antisemitischen Äußerungen Erwin Kesslers kommentiert der Verein in nur wenigen Worten:
„Als wir zu Hause die von der Tierrechtsgruppe angeführten Zitate überprüften, stellten wir fest, dass sie von Erwin Kessler allesamt im Zusammenhang mit dem betäubungslosen Schächten und dem gewissenlosen Konsum von Tierqualprodukten geschrieben wurden und nicht mehr waren, als klare Worte gegen diese grausamen Verbrechen an den Tieren. Die Kritik gegen das betäubungslose Schächten ging immer nur gegen die Personen, die diese tierquälerische Handlung ausführten oder sie durch den Konsum von Schächtfleisch bewusst unterstützten.“36
Die dokumentierten Äußerungen sind antisemitisch und grenzen sich klar von einer sachlichen Kritik an der Praxis des Schächtens ab. Das ist klar erkennbar und findet sich in einer Reihe von Gerichtsurteilen gegen Erwin Kessler bestätigt. Ob dieser die Schweizer Gerichte als „linksextreme“ Institutionen ansieht, wissen wir nicht. Auch im Hinblick auf die Äußerungen Erwin Kesslers außerhalb des Themenkomplexes Schächten haben wir dokumentiert, wie weit der Antisemitismus des Tierschützers Kessler reicht und wie deutlich er zutage tritt.
Der VgT scheint der Hoffnung zu folgen, mit einer inflationären Verwendung des Wortes „Verleumdungskampagne“ von der antisemitischen Ideologie seines Präsidenten ablenken zu können. Darüber hinaus wird die Kritik seitens des VgT als „linksextremistisch“ motiviert dargestellt sowie der Versuch unternommen, linke Aktivist*innen auf Grundlage der Extremismustheorie zu dämonisieren. Die emanzipatorische Tierrechtsbewegung beschreibt der VgT in seiner Stellungnahme folgendermaßen:
„Jeder, der nicht mit der linksextremen Ideologie dieser Tierrechtler einig geht, wird bekämpft, selbst wenn es sich dabei um Menschen handelt, die sich teils schon seit Jahrzehnten für die Tiere einsetzen“
Diese Behauptung findet sich, in verschiedene Begriffe gehüllt, immer wieder in der Auseinandersetzung mit reaktionären Ideolog*innen innerhalb wie außerhalb der Tierrechtsbewegung. Gruppenbezogen menschenfeindliche Ideologien sind ethisch nicht tolerabel und weder in der Schweiz noch in Deutschland von der „Meinungsfreiheit“ gedeckt. Gemäß der Vorstellungen Erwin Kesslers und des VgT gelten diese Staaten und ihre Gesetze vermutlich als „linksextrem“. Inwiefern ein längeres Engagement für den Tierschutz gruppenbezogen menschenfeindliche, neonazistische Einstellungen legitimiere, erklärt Kessler nicht. Das Aufzeigen, Kritisieren und nötigenfalls rechtliche sowie politische Vorgehen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und rechte Ideologien allgemein, ist kein Kampf gegen irgendeine Abweichung, sondern ein Kampf für die Freiheitsrechte und die Sicherheit der von diesem Hass betroffenen Menschengruppen.
Reaktionäre Solidarität
Auch an Solidarität spart der VgT nicht in seiner Stellungnahme. So stellt sich dieser in eine Reihe vermeintlicher Opfer von „Verleumdungskampagnen“. Aufgelistet werden, die Sekte Universelles Leben, der nach rechts offene Tierrechtler Martin Balluch (VGT Österreich), Dr. med. Walter Henrich (Pro Vegan), die rechte, vegane Unternehmerin Kim Kalkowski (Kim Wonderland), der vegane Strongman Patrik Baboumian. Veganz-Gründer Jan Bredack sowie die Tierschutzorganisation PETA.
Dabei setzt der VgT öffentliche Kritik und Diskussionen mit „Terror“ gleich.37 Auch an dieser Stelle werden Begriffe wie „Hetzkampagnen“ und „Verleumdungskampagnen“ mehrfach verwendet. Welche angeblich falschen Behauptungen über diese Personen und Organisationen in Umlauf gebracht worden seien, erklärt der Verein nicht. Vielmehr scheint bereits das öffentliche Kritisieren der Aussagen und Handlungen dieser Personen problematisch zu sein.
Sachliche, kritische Nachfragen hinsichtlich dieser angeblichen „Verleumdungen“ löschte der Verein von seiner Facebook-Seite und blockte die Autorinnen für weitere Kommentare, wie uns Leserinnen berichteten und mittels Screenshots nachwiesen.
Fazit
Da aus tierrechtlicher Perspektive keinerlei plausible Rechtfertigung dafür vorliegt, die Abschaffung der Praxis des Schächtens neben oder über die Forderung der Abschaffung jeglicher Schlachtungsformen (also auch des Schächtens) sogenannter „Nutztiere“ zu stellen, ist eine solche thematische Fokussierung vor dem historischen Hintergrund in der Regel ein erster Hinweis auf rechte Ideologien. Im Fall von Erwin Kessler bestätigt sich diese Vermutung bei der Betrachtung seiner Äußerungen und seines politischen Engagements. Auch seine antisemitischen, fremdenfeindlichen und allgemein menschenverachtenden Äußerungen abseits seines Kampfes gegen das Schächten sprechen eine sehr deutliche Sprache.
Der Tierschützer und Präsident des „Verein gegen Tierfabriken“ Erwin Kessler ist nach unseren Erkenntnissen ein Antisemit und dem rechten Spektrum zuzuordnen. Seine antisemitischen Äußerungen wurden, ebenso wie seine Solidaritätsbekundungen für Holocaustleugner, über die Vereins-Website des VgT veröffentlicht. Zudem gibt es seitens der Vereinsmitglieder des VgT offenbar eine breite Zustimmung zu diesen Äußerungen, mindestens werden diese unwidersprochen toleriert. Hinweise auf einen kritischen Diskurs innerhalb des Vereins oder auf Forderungen nach einer Absetzung des Präsidenten Erwin Kessler konnten wir nicht finden. Der Großteil der dokumentierten antisemitischen Texte stammt aus der Vereinszeitung „VgT-Nachrichten“ sowie von der Website des VgT, wo diese in großen Teilen noch heute abrufbar sind. Angesichts der Veröffentlichungen des Vereins ist es aus unserer Sicht gerechtfertigt, den „Verein gegen Tierfabriken“ als antisemitischen, ideologisch rechten Tierschutzverein zu bezeichnen.
In einem aktuellen Beitrag auf der VgT-Vereinswebsite kündigt Kessler eine „Lange Liste von Opfern linksextremer Hass- und Verleumdungskampagnen“ an.38 Welche Behauptungen über Erwin Kessler und den VgT als „Verleumdung“ und damit als falsche Behauptungen zu bezeichnen seien, begründet Erwin Kessler in keiner seiner Stellungnahmen.
Sollte es zu dem von Erwin Kessler angekündigten rechtlichen Vorgehen gegen den Verein Tier im Fokus (TIF) beziehungsweise gegen andere Vereine oder Personen kommen, werden wir darüber berichten. Über die aktuelle Solidarisierung der Organisation Swissveg mit dem VgT berichten wir in unserem Artikel „Swissveg – Toleranz für Antisemitismus und Sekten unter dem V-Label“.
Titelbild39
- In diesem Artikel ist mit „VgT“ stets der „VgT Schweiz“ gemeint ↩
- http://hans-stutz.ch/rechtsextremismus/2005/14-04-kessler-falschmeldung.html
https://archive.is/Eiykg ↩ - http://abload.de/img/wikipediaverleumdung4ur8b.png ↩
- http://www.vgt.ch/justizwillkuer/krauthammer/bge-5P-241-005.htm
https://archive.is/kMIbr
weitere Hinweise auf rechte Kontakte:
http://indyvegan.org/wp-content/uploads/2015/07/Kessler-Prozess-geplatzt-recht-Kontakte.pdf] ↩ - http://vgt.ch/news_bis2001/011219.htm
https://archive.is/8QsIJ ↩ - https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus-Strafnorm#Politische_Diskussion ↩
- https://web.archive.org/web/20020227025223/http://www.vgt.ch/news/980404.htm
https://archive.is/Bi25O ↩ - https://web.archive.org/web/20020419223347/http://www.vgt.ch/news_bis2001/980909.htm
https://archive.is/LRJYS ↩ - http://www.hans-stutz.ch/rechtsextremismus/2003/20-06-rohling-zu-kessler.html ↩
- Der Begriff „Rassendiskriminierung“ stammt aus der Schweizer „Rassismus-Strafnorm“ (Art. 261bis) und ist mit Volksverhetzung (§130) im deutschen Strafgesetzbuch vergleichbar.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus-Strafnorm
https://de.wikipedia.org/wiki/Volksverhetzung ↩ - http://indyvegan.org/wp-content/uploads/2015/07/Bundesgerichtsurteil-mehrfache-Rassendiskriminierung-26.09.2000.pdf
http://indyvegan.org/wp-content/uploads/2015/07/urteil-bezger-071026.pdf ↩ - http://vgt.ch/doc/kyber/index.htm
https://archive.is/wUOkT ↩ - http://indyvegan.org/wp-content/uploads/2015/07/Dr.-Antoine-Goetschel-Funktionär-mehrerer-Tierschutzorganisationen-verharmloste-als-verdeckter-Jude-jahrelang-das-Schächten-VN-96-61.pdf ↩
- http://indyvegan.org/wp-content/uploads/2015/07/Wann-werde-ich-gekreuzigt_-VN-96-4.pdf
Der Text ist ebenso auf der VgT-Website zu finden:
http://www.vgt.ch/justizwillkuer/anklage_im_schaechtprozess.htm
https://archive.is/tF9LW ↩ - http://indyvegan.org/wp-content/uploads/2015/07/Sonderrecht-für-Minderheiten-R-F-4-96.pdf ↩
- https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus_%28bis_1945%29#Fr.C3.BChantisemitismus ↩
- http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/tierschutz-als-deckmantel-fuer-naziideologien-5710
https://de.wikipedia.org/wiki/Tierschutz_im_Nationalsozialismus ↩ - https://web.archive.org/web/20030725074303/http://www.vgt.ch/news_bis2001/010716.htm
https://archive.is/BORhn
Das Original findet sich nur noch via Wayback-Machine in der ursprünglichen Fassung, da Kessler infolge eines verlorenen Gerichtsprozesses gegen Krauthammer seine Aussagen entfernen musste. ↩ - https://web.archive.org/web/20030725074303/http://www.vgt.ch/news_bis2001/010716.htm
https://archive.is/BORhn
Das Original findet sich nur noch via Wayback-Machine in der ursprünglichen Fassung, da Kessler infolge eines verlorenen Gerichtsprozesses gegen Krauthammer seine Aussagen entfernen musste. ↩ - https://web.archive.org/web/20030725074303/http://www.vgt.ch/news_bis2001/010716.htm
https://archive.is/BORhn
Das Original findet sich nur noch via Wayback-Machine in der ursprünglichen Fassung, da Kessler infolge eines verlorenen Gerichtsprozesses gegen Krauthammer seine Aussagen entfernen musste. ↩ - Inhaltswarnung: Bild von einer Schlachtung
http://www.vgt.ch/doc/krauthammer/index.htm
https://archive.is/p6WN2 ↩ - http://www.ekr.admin.ch/pdf/118769_de_komplett178d.pdf ↩
- http://www.politische-bildung-brandenburg.de/node/8976 ↩
- Inhaltswarnung: Bild von einer Schlachtung
http://www.vgt.ch/doc/krauthammer/index.htm
https://archive.is/p6WN2 ↩ - https://archive.is/WTaCs
http://www.vgt.ch/news2002/020123.htm ↩ - www.vgt.ch/bedenkliches/bedenkliches-2.htm
https://archive.is/ZtNet ↩ - http://www.vgt.ch/justizwillkuer/schaechtpr-vollstr/index.htm#email
https://archive.is/SC1Hv ↩ - http://www.vgt.ch/vn/0802/vn08-2.pdf
http://abload.de/img/entschuldigungvgtnachq9abv.png ↩ - Inhaltswarnung: Fotos von Schlachtungen
http://www.vgt.ch/news/120816-schaechten-im-natuerlich.htm
https://archive.is/jLWEY ↩ - http://www.vgt.ch/news/141216-pelz-weber.htm ↩
- http://www.vgt.ch/justizwillkuer/anklage_im_schaechtprozess.htm
https://archive.is/tF9LW ↩ - Inhaltswarnung: Eine Reihe von Bildern aus Schlachtungen
http://www.vgt.ch/bedenkliches/bedenkliches-3.htm
https://archive.is/Uuv2k ↩ - Inhaltswarnung: Eine Reihe von Bildern aus Schlachtungen
http://www.vgt.ch/bedenkliches/bedenkliches-3.htm
https://archive.is/Uuv2k ↩ - Inhaltswarnung: Eine Reihe von Bildern aus Schlachtungen
http://www.vgt.ch/bedenkliches/bedenkliches-3.htm
https://archive.is/Uuv2k ↩ - http://www.vgt.ch/news_bis2001/000329.htm
https://archive.is/Yavuo ↩ - http://www.vgt.ch/news/150703-linksextreme_verleumdungen.htm
https://archive.is/nM7Kc ↩ - http://www.vgt.ch/news/150703-linksextreme_verleumdungen.htm
https://archive.is/nM7Kc ↩ - http://www.vgt.ch/doc/linksextreme/index.htm
https://archive.is/aT7yk ↩ - Bildzitat aus VgT-Nachrichten Nr.2 Juli 2008 ↩
Der Beitrag Verein gegen Tierfabriken – Antisemitismus mit Tradition erschien zuerst auf Indyvegan.